Technische
Früherziehung durch audiovisuelle Medien:
Fernsehen,
Radio, Hörkassetten, Computerspiele, Internet
Kinder im Alter von 4-6 Jahren haben bereits ein
ausgeprägtes Interesse an naturwissenschaftlichen und technischen
Sachverhalten. Dies zeigt sich v.a. daran, dass die Medien schon seit Jahren
ein breites Angebot an Themen mit naturwissenschaftlichen und technischen
Inhalten für Schul- und Vorschulkinder bereitstellen. Dennoch erfolgt die
systematische Vermittlung naturwissenschaftlicher Kenntnisse im
bundesdeutschen Bildungssystem erst im Schulunterricht der Sekundarstufe I,
d.h. die ...Medien begeistern Kinder für naturwissenschaftliche Themen lange
bevor unser Bildungssystem Naturwissenschaftsvermittlung vorsieht.
Auf der Grundlage der Studie von G. Lück, die sich mit der
Vermittlung von Naturwissenschaften im frühen Kindesalter beschäftigt,soll
im folgenden beleuchtet werden, welche Medien naturwissenschaftliche Themen
vermitteln, inwieweit Vorschulkinder das Angebot nutzen und ob Kinder diesen
Alters überhaupt in der Lage sind, den präsentierten technischen bzw.
naturwissenschaftlichen Sachverhalten zu folgen.
Gisela Lück nennt in ihrer Untersuchung im Hinblick auf die
audiovisuellen Medien v.a. die klassischen Medien Fernsehen, Radio und
Hörkassetten, durch die Kinder im Vorschulalter und in den ersten
Grundschuljahren Kenntnisse über die belebte und unbelebte Natur vermittelt
bekommen. Gerade in den letzten Jahren erweisen sich jedoch auch die modernen
Kommunikationsmedien für Kinder als sehr interessant: Neben Computerspielen gewinnt auch das Internet
für 4-8jährige Kinder zunehmende Bedeutung als Wissenslieferant.
Das Fernsehen gilt nach wie vor unter 3-9jährigen Zuschauern
als beliebtes Medium der Unterhaltung, aber auch als Informationsquelle zu
naturwissenschaftlichen Fragestellungen,
wobei das Angebot an Sendungen mit naturwissenschaftlichen Inhalten
mittlerweile ein breites Spektrum einnimmt. Die erfolgreichsten Kindersendungen
(Erfolg misst sich hier an der Höhe der Einschaltquote), in denen auch
Inhalte zu den Themen Technik oder unbelebte Natur vorkommen, sind Die Sendung
mit der Maus, Löwenzahn und Sesamstraße.
Die Sendung mit der Maus wird allwöchentlich von 300 000
Kindern im Alter zwischen 3 und 5 Jahren und von ebenso vielen im Alter
zwischen 6 und 9 Jahren gesehen. Dabei nehmen die Sachgeschichten, rund 30 %
der Sendungen ein, eine Vielzahl der Beiträge berührt auch
naturwissenschaftliche Inhalte wie z.B. die Phänomene Luft, Schwimmen und
Sinken oder die Kerze. Auch komplexere naturwissenschaftlich-technische
Zusammenhänge werden thematisiert, z.B.
Warum hält eine Dauerwelle? oder Was passiert beim Kochen einer
Kartoffel?, aber auch Wie funktioniert ein Atomkraftwerk?
In der ZDF-Sendung Löwenzahn liegen die Einschaltquoten
niedriger als bei der Sendung mit der Maus. Das Magazin, das Kinder von 5-9
Jahren anspricht, stellt ökologische Betrachtungsweisen in den Vordergrund,
dennoch werden Themen der unbelebten Natur ebenfalls berücksichtigt: Von 136
Folgen können 42 Sendungen diesem Themenkreis zugeordnet werden, z.B.
Aggregatzustände des Wassers, Luft, Salz, Schwimmen und Sinken, aber auch die
Untersuchung von Gegenständen und Stoffen (von der Herstellung bzw. Herkunft
bis zum Recycling), die Kindern aus dem Alltag bekannt sind: Öl, Glas, Kohle
etc.
Im Unterschied zur Sendung mit der Maus oder Löwenzahn
fällt der naturwissenschaftliche Anteil in der Reihe Sesamstraße deutlich
geringer aus, obwohl auch dieser in der Konzeption ausdrücklich vorgesehen
ist.
Das soziale Lernen steht in dieser, von vielen Eltern als sehr geeignet
eingeschätzten Kindersendung, im Vordergrund. Kognitiv orientierte Sachinhalte
aus der Erfahrungsumwelt der Kinder erfahren im Hinblick auf die Themen unbelebte
und belebte Natur eine deutlich geringere Beachtung als in den beiden zuvor genannten
Kindersendungen.
Inwieweit sind Kinder im Alter zwischen 3 und 9 Jahren
jedoch überhaupt in der Lage, durch das Fernsehen vermittelte
technisch-naturwissenschaftliche Inhalte aufzunehmen und zu verstehen? Die
Medienpsychologinnen Hertha Sturm und Sabine Jörg haben in ihrer Studie
Informationsverarbeitung durch Kinder
auf der Basis des entwicklungspsychologischen Ansatzes von Jean Piaget drei
Kriterien entwickelt, nach denen bei Kindern die lernpsychologischen
Voraussetzungen für das Verstehen naturwissenschaftlicher Inhalte erfüllt sind:
- sprachliche
Kommentierung des visuell Vermittelten zur besseren Aufmerksamkeitslenkung,
- unidirektionale
Handlungsabläufe und
- Berücksichtigung
des (kindlichen) Egozentrismus durch eine geringe Anzahl an Perspektivenwechsel.
Sowohl in der Sendung mit der Maus als auch in der
Kindersendung Löwenzahn werden diese drei Kriterien für kindgerechtes
Fernsehen, vor allem hinsichtlich der Weiterentwicklung dieser Sendungen in
den letzten Jahren, sämtlich erfüllt.
Dennoch bleibt es auf Grund mangelnder Rezeptionsuntersuchungen unmöglich,
genau festzulegen, inwieweit Kinder im Vorschulalter den dargestellten
technisch-naturwissenschaftlichen Sachverhalten kognitiv tatsächlich folgen
können.
Auch die auditiven Medien (Radio wie auch Tonträger) greifen
das Thema der Vermittlung technisch-naturwissenschaftlicher Inhalte auf.
Auditive Medien haben bei jüngeren Kindern einen höheren Stellenwert als bei
älteren; außerdem ist das Hören ein besonders gefühlsbetonter Wahrnehmungssinn
eine Distanzierung vom Gehörten fällt dem Kind schwerer als bei visuell
wahrgenommenen Inhalten.
In verschiedenen Radiosendungen öffentlich-rechtlicher
Sender werden allerdings nur zu einem geringen Teil auch Kindersendungen
mit einem technisch-naturwissenschaftlichen Anteil produziert.
Diese richten sich v.a. an Kinder im Grundschulalter. Es liegen jedoch
keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen über die Rezeption von
Kindersendungen mit technisch-naturwissenschaftlichen Inhalten vor, sodass auch
in diesem Bereich, ähnlich wie beim Fernsehen, keine gesicherten Erkenntnisse
darüber gewonnen werden können, was Kinder von den vermittelten Themen tatsächlich
aufnehmen, verstehen und erinnern.
Zu Hörkassetten haben Kinder bereits sehr früh Zugang:
bereits 70 % der Vierjährigen sind mit Abspielgeräten vertraut.
Der Massenmarkt der Kinderhörkassetten ist vor allem ökonomisch orientiert und
wird deshalb von Medienkritikern häufig auch als Hörmüll bezeichnet. Da bei
Hörkassetten in der Regel die Themen ausgewertet werden, die sich bereits in
anderen Medien bewährt haben der Medienverbund trägt hier sehr zur
Kommerzialisierung bei - , gilt die Branche als
innovationsfeindlich(...)Niedrige Qualitätsstandards in der Produktion sind
möglich, weil die Käufer eher gleichgültig reagieren, offenbar nur geringe
künstlerische Ansprüche stellen und differenzierte Orientierungsmöglichkeiten
für die breite Öffentlichkeit etwa in Form von Rezensionen, Presseberichten
etc. fehlen.
Als herausragendes Beispiel einer sehr weit verbreiteten
Kinderhörkassette stellt Lück für die Serie Benjamin Blümchen (Marktanteil:
15,4 %!) fest, dass der technisch-naturwissenschaftliche Anteil der
behandelten Themen nur randständig ist. Lück konstatiert, dass naturwissenschaftliche
Inhalte bei Benjamin Blümchen häufig so komplex dargestellt werden, dass für
die Kinder ein Verstehen nahezu ausgeschlossen ist und dass entsprechende
Hintergründe oft nicht erklärt werden. So (...) wird sich für die jungen
Zuhörer eher ein naturfeindliches Technikbild festsetzen.
Neben Fernsehen und Hörkassetten ist auch der Computer aus
der Erfahrungswelt der Vor- und Grundschulkinder nicht mehr auszublenden. Es
gibt zahlreiche Spiel- und Lernprogramme, die auf die verschiedenen Alters-
und Entwicklungsstufen der Kinder abgestimmt sind. Dabei wird in der Literatur
unterschieden zwischen verschiedenen Typen von PC-Spielen (beispielsweise sogen.
Strategiespiele, Action-Spiele, Lernspiele).
Bereits kleine Kinder können einen Computer innerhalb der ihrem jeweiligen
Entwicklungsstand entsprechenden Möglichkeiten nutzen: Es gibt etwas zu sehen,
zu fühlen, zu hören; man kann auf etwas zeigen, es bewegt sich, Figuren weisen
bekannte Eigenschaften von Lebewesen oder Gegenständen auf etc. Die dabei zu
erlangenden Fertigkeiten und Fähigkeiten liegen z.B. in den Bereichen
Feinmotorik, Reaktionsvermögen, Konzentration, Kreativität, Problemlösefertigkeiten
um nur einige zu nennen. So integrieren auch immer mehr Kindertageseinrichtungen
den PC in ihr didaktisches Angebot, wenngleich die Hemmnisse bei den
sozialpädagogischen Fachkräfte häufig noch sehr hoch sind, (neue) Medien in
der pädagogischen Arbeit einzusetzen.
In der Reggio-Pädagogik dagegen, einem sehr
fortschrittlichen pädagogischen Ansatz, der im Kind als Mitschöpfer seines
Wissens ein forschendes und problemlösendes, mit vielfältigen Fähigkeiten und
Kompetenzen ausgestattetes Wesen sieht,
ist der (...)Umgang mit dem Computer (...)Teil des Alltags der fünf- bis
sechsjährigen Kinder in den kommunalen Kindertagesstätten(...). Sie beziehen
dieses Medium in ihre Spiele mit ein, (...) oder sie beschäftigen sich in
Projekten mit dem Innenleben dieses Mediums.
Für Vor- und Grundschulkinder gibt es bereits eine große
Zahl an Computerspielen, die auch von 3-jährigen Kindern unbefangen und
interessiert genutzt werden.
Viele Computerspiele gehen dabei über das bloße Spielen hinaus und vermitteln
nebenbei oder explizit wissenswerte Informationen: die sogen.
Edutainment-Spiele (aus Education
und Entertainment abgeleitet).
Dazu zählen auch jene CD-Roms, die Kindern ab 4 Jahren technisch-naturwissenschaftliche
Kenntnisse auf spielerische Art und Weise vermitteln. Großer Beliebtheit
erfreuen sich Spiele, die ihre Identifikationsfiguren aus
Kinderfernsehsendungen ableiten, wie z.B. Löwenzahn. Interaktiv können sich
die Kinder zu verschiedenen Themen der belebten, aber auch unbelebten Natur
(z.B. Erde-Wasser-Luft) Informationen aneignen oder vorhandenes Wissen
überprüfen.
Entgegen der häufig zu hörenden Vermutung, das Internet sei
noch nichts für Kinder, sind auch die Kinder dabei, das Internet zu erobern.
Inzwischen gibt es einige hundert Internetseiten, die sich speziell an Kinder
richten. Verunsicherung zeigen in diesem Zusammenhang häufig die PädagogInnen,
die nicht wissen, wie sie mit diesem Thema umgehen sollen, da sie häufig selbst
noch nicht genügend qualifiziert sind, mit dem Computer bzw. auch Internet
umzugehen. Pädagogisch sinnvolle Analysen und Handreichungen bieten in diesem
Zusammenhang die vor kurzem erschienen Handbücher von Michael Kobbeloer
Internethandbuch für Erzieherinnen und Erzieher (2002)
und Christine Feil (Hrg.) Internet für Kinder. Hilfen für Eltern, Erzieher und
Lehrer (2001).
Über speziell für Kinder eingerichtete Suchmaschinen und
Portale haben Kinder auch die Möglichkeit, an Informationen über
technisch-naturwissenschaftliche Inhalte zu gelangen. Die Kinder-Suchmaschine www.blinde-kuh.de z.B. bietet eine eigene
Rubrik Wissen, über die sich die Kinder über verschiedene Themen, auch aus
der unbelebten Natur, weiterklicken können. Allerdings mangelt es noch an
Rezeptionsuntersuchungen, die sich mit Art und Auswirkungen von Internetnutzung
bei Kindern im Hinblick auf die Aneignung technisch-naturwissenschaftlicher
Themen beschäftigen.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass bei Kindern im
Vor- und Grundschulalter bereits ein ausgeprägtes Interesse an
technisch-naturwissenschaftlichen Sachverhalten zu beobachten ist. Die Medien
greifen dieses Interesse in unterschiedlicher Art und Weise auf: Während
Kinderfernsehsendungen mit naturwissenschaftlichen Inhalten überraschend hohe
Einschaltquoten auch bei jüngeren Kindern aufweisen, erfreuen sich die modernen
Kommunikationsmedien zunehmender Beliebtheit auch bei jüngeren Adressaten, da
hier technisch-naturwissenschaftliche Themen interaktiv angeeignet werden
können.
Technische Früherziehung gewinnt im Zusammenhang mit dem
Thema Medien somit eine vielschichtige Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die
Vermittlung von Medienkompetenz in Kindergarten und Grundschule den handelnden
Umgang mit technischem Gerät einschließt, die Medien selber aber den Kindern
auch Inhalte aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Bereich vermitteln
können. Diese Vielschichtigkeit den Kindern zu erschließen ist Aufgabe der in
Vor- und Grundschule tätigen pädagogischen Fachkräfte.